_____________________________________________________________________ Nord-Osten der USA

Eine innere Unruhe ließ uns gegen sechs Uhr morgens aufstehen. Es war schon in der Vergangenheit so, daß wir uns bei Grenzübertritten, einer eingebildeten Willkür, ausgesetzt fühlten. Was ist wenn wir nur 3 Monate in den Staaten bleiben dürfen oder aus unerklärlichen Gründen uns die Einreise gar verweigert wird? Wir, in diesem Fall ich, hatte in der Zwischenzeit schon einiges gelesen und gehört wie es anderen Reisenden erging. Die paar wenigen negativen Erfahrungen von anderen Globetrottern bleiben haften wie das Preisschild auf einer nicht eingeschweißten CD-Hülle aber die die ohne Probleme eingereist sind, und das ist definitiv der Großteil, vergisst man so schnell wie die Lottozahlen vom letzten Wochenende. >>

Gegen 7.30 Uhr erreichten wir, nach dem wir den Niagara River über eine Brücke gekreuzt hatten den Boden der Vereinigten Staaten von Amerika. Wir fuhren, nicht unähnlich einer Mautstelle am Brenner, auf ein Bauwerk zu. Bettina kramte ein paar Dollar hervor um die Gebühr für die Brücke zu bezahlen. Der Staatsbedienstete wollte keine Dollar sehen sondern unseren Reisepass, die Fahrzeugpapiere und die Fahrzeugversicherung. Gut das ich nicht gleich die Geldscheine aus dem Fenster gehalten habe. Hätte falsch verstanden werden können. Die Forderung wurde unmissverständlich in einem Tonfall vorgetragen die mich unwillkürlich um einen halben Meter schrumpfen ließ. Unser Fahrzeug hätte keine Zulassung für die USA. Eine passende Antwort hätte mir schon auf den Lippen gelegen aber in so einem Fall ist es wohl besser devot zu bleiben. Wir sollen unser Fahrzeug nach vorne zum Zaun fahren aussteigen und in das angrenzende Gebäude gehen. Ich glaube das bedeutet nichts Gutes. Wir setzen uns, warteten, wurden nach 10 Minuten in den 2 Stock geschickt und warteten wieder. Irgend wie froren wir. Ob es an den nicht gepolsterten Stühlen lag oder an unserer Nervosität? Etwa 20 Minuten später wurden wir mit unseren Vornamen aufgerufen und ab hier war es als würden wir auf einen alten Freund treffen. Zuvorkommend, nett und schon fast entschuldigend das wir nur 6 Monate bleiben dürfen. Letzt endlich mussten wir pro Person 6 Dollar bezahlen, Fingerabdrücke abgeben, unsere Iris abgelichten lassen und schon verließen wir das Gebäude mit einem Begleitschutz von drei Grenzbeamten die nur unseren Leopold sehen wollten und unzählige Fragen dazu hatten. Es war für die Jungs belanglos ob wir noch Obst, Gemüse oder Fleisch an Board mitführten.

 

Welcome in the USA.

 

Vorweg sei schon einmal gesagt wir haben die beiden Megacitys Boston und New York von unserer Liste gestrichen da wir einen Termin in West Virginia wahr nehmen wollten und dazu mussten wir uns ein wenig beeilen da unsere Freunde ab Mitte November ebenfalls unterwegs sind.

Entlang am Lake Erie und Buffalo hinter uns lassend erreichten wir am zweiten Tag den Allegheny National Forest. Die Herbstfarben gehörten bereits der Vergangenheit an und so durchfuhren wir eine grau braune Kulisse dessen Boden bedeckt war mit einem Meer aus Blättern. Die Landschaft hügelig bis bergig und trotz aller Farblosigkeit schön anzusehen. Der Verkehr gering und die Straßen waren, nach den meist üblen Abschnitten in Kanada, eine Wohltat. Wir hielten uns größtenteils an Landstraßen und Nebenstraßen und spulten an diesem Tag mehr als 3.000 Höhenmeter und etwas mehr als 300 Kilometer ab. Hört sich nicht viel an aber ich war froh als ich den Zündschlüssel am Abend abzog. Nach den Bundesstaaten New York, Pennsylvania und Maryland erreichten wir West Virginia und den Shenandoah NP. Im Grunde hatten wir uns vorgenommen einige Wanderungen zu unternehmen aber es regnete Bindfäden. Wir verschoben unseren Bewegungsdrang auf das Camp McIntosh. Jetzt wird sich der eine oder andere Fragen was ist das Camp McIntosh. McIntosh ist der Familienname unserer Freunde und Carol und Tom gaben ihrem Anwesen diesen Namen. Am nächsten Tag erreichten wir Free Union in der Nähe von Jacksonville und waren froh, die beiden nach Jahren, wieder zu treffen. Wir verbrachten herrliche Tage zusammen und lernten diesen Teil von West Virginia ein Stück weit näher kennen.

DC, wie die Amerikaner ihre Hauptstadt nennen, hatte es mir angetan. Zum einen wollte ich gerne das Air and Space Museum in Dulles besuchen und zweitens denke ich sollte man die Strecke zwischen dem Capitol und dem Lincoln Monument einmal zu Fuß zurück gelegt haben. Im übrigen wird dieser Abschnitt auch als "The Mall" bezeichnet. Beides haben wir gemacht. Bettina gefiel das Museum sehr gut hätte es aber alleine nicht besucht. Bei mir schlugen die Wurzeln meiner Berufsausbildung durch und als wir den Teil des Museums betraten in dem die alten Flugzeuge restauriert werden stand ich, mit funkelnden Augen, vor der Glasscheibe wie ein kleiner Junge der zum ersten Mal einen Spielzeugladen betritt.

Am Reflecting Pool, der zwischen dem Obelisk und dem Washington Monument eingebettet liegt, mussten wir zwangsweise an Forrest Gump denken der in dem gleichnamigen Film durch das etwa 30cm seichte Becken stiefelte.

Washington ist eine tolle Stadt und in keiner Stadt unseres Wissens gibt es 19 Museen, einen Zoo und einen Botanischen Garten die ohne Eintritt besucht werden können. Die Smithsonian-Stiftung macht es möglich. Zum Abschluss gab es noch das obligatorische Foto vom Weißen Haus bevor wir mit der Metro und dem Bus zurück zum Cherry Hill Campground fuhren und von der Anschlagserie in Paris erfuhren.

Bettina und mich zog es hinaus auf die Outer Banks, an den Ozean zur salzhaltigen Luft und den endlosen Sandstränden. Erster Stopp war Kill Devil Hills. Hört sich unheimlich an aber dort wurde echte Fluggeschichte geschrieben. Auf jedem Nummernschild von North Carolina zu lesen "First in Flight". Orville und Wilbur Wright haben am 17.Dez.1903 den ersten dokumentierten, motorbetriebenen Flug unternommen. Genau gesagt haben die beiden an diesem Wintertag vier Flüge unternommen. Der erste dauerte 12sec und endete nach 120 feet (etwa 30m) und der vierte und letzte schaffte es schließlich auf 852 feet (ca 290m) und dauerte lange 59sec. Die Ortschaft Kitty Hawk ging damit nicht nur in die Fluggeschichte ein. Die Brüder kamen aus der Fahrradecke fanden ihr Erfüllung aber in der Fliegerei und hatten schon zur damaligen Zeit die Idee eines Windkanals umgesetzt. Orville und Wibur hatten es wirklich drauf.

Für eine Woche unterbrachen wir, in Rodanthe, unsere Reise, ließen die Tage vorbeiziehen, unternahmen kilometerlange Strandspaziergänge und ich konnte mich am Palmico Sound, auf dem Wasser, ein wenig austoben.

Die Outer Banks sind ein schmaler Landstreifen auf dessen Ostseite der Atlantik liegt, auf der Westseite der Palmico Sound, von beiden Seiten das Festland nicht zu erblicken ist und von mancher Stelle, da so schmal, beide Ufer zu sehen sind. Dementsprechend oft wird dieser flache Landstreifen bei Unwettern unter Wasser gesetzt. Die Menschen haben gelernt mit diesem Umstand zurecht zu kommen und haben ihre Häuser auf Stelzen gestellt nur der NP-Service hat es nicht fertig gebracht die Stellplätze höher anzulegen. Wir hätten gerne eine Nacht dort verbracht aber der gesamte Platz stand unter Wasser.

Erschreckend war für mich, dass wir am Strand einen, etwa 1 Meter langen, toten Haifisch sahen uns von Locals ebenfalls bestätigt wurde das hier verschiedene Spezies herum schwimmen, u.a. auch Bullsharks, und Angriffe diese Jahr bereits vorgekommen sind. Mir wurde übel und mein Vorsatz alleine am Atlantik Kitesurfen zu gehen war dahin.

In südlicher Richtung kommt man nur mit der Fähre auf das Festland, dauert in etwa 2 Stunden und kostet, für unseren Leopold 30,-$.

Dazwischen muss eine weitere kostenfreie Fähre genommen werden die zwischen Hatteras und Ocracoke verkehrt und ca. eine Stunde in Anspruch nimmt.

Unsere nächsten Stationen werden Charleston und Savannah sein die im 18. Jahrhundert nur so vor Reichtum strotzten und dies meist auf Kosten unfreiwillig importierter schwarzer Arbeiter.

Und so kommt uns das eine oder andere, in den ersten Wochen, in diesem großem Nord-Amerika wieder einmal sehr merkwürdig vor. Aber wie hat es der Sprachwissenschaftler Whorf einmal erklärt.

 

"In einer Welt, in der alles blau ist, kann sich niemand vorstellen, dass es Farben geben könnte. Um auch nur den Begriff der Farbe, geschweige denn eigentlich Farbe zu erfassen, müsste man diese blaue Farbe verlassen".

 

Sie zu verlassen aber stellt den Reisenden vor eine Entscheidung, um die er nicht herumkommt. Entweder bringt er es fertig, der Wirklichkeit seines Ursprungs universale Gültigkeit zuzuschreiben und das Fremde dann notwendigerweise als falsch, lächerlich, dumm oder feindselig abzulehnen. Oder er begreift, dass seine Wirklichkeit eben nur eine von vielen möglichen ist und dass sie weder mehr noch weniger Anspruch darauf erheben kann, wirklicher als alle anderen zu sein.

In diesem Sinne wünschen wir allen eine ruhige, stressfreie Vorweihnachtszeit.

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Kommentare: 2
  • #1

    Der Michael schon wieder ... (Mittwoch, 09 Dezember 2015 09:34)

    "Whorf " musste ich erstmal googeln. Sein Statement ist nicht nur eine Ansage an Reisende, sondern an alle, die mit dem Fremden, dem Anderen konfrontiert sind. Es betrifft in diesen Zeiten jeden Bürger in unserem Land ...! Danke für einen schönen Bericht und schöne Bilder. Fast nur blauer Himmel. Daran muss man sich auf dieser Webeite erstmal gewöhnen ... ;-) Auch Euch eine friedliche Vorweihnachtszeit!

  • #2

    Olli & Claudia (Donnerstag, 24 Dezember 2015 11:30)

    Hallo ihr Beiden,

    wünschen Euch frohe Weihnachten und weithin alles Gute im nächsten Jahr.

    Vermissen Euch!